Bonn fotografieren – Museumsmeile

Bonn wurde als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland häufig als Bundesdorf tituliert. Gemessen an der Größe und Geschichtstradition anderer europäischer Hauptstädte irgendwo auch nachvollziehbar. Wobei Bonn als alte römische Siedlung, kurfürstliche Residenzstadt und Geburtsstadt Ludwig van Beethovens natürlich durchaus geschichtliche Bedeutung hat, von berühmten Bonner Persönlichkeiten wie dem Maler August Macke, dem Komponistenehepaar Robert und Clara Schumann, dem Dichter Ernst Moritz Arndt und dem Studenten Friedrich Nietzsche mal ganz zu schweigen. Dennoch eine Stadt mit 115.000 Einwohnern (1949) hatte gemessen an Paris, London, Madrid oder Rom natürlich tatsächlich eher dörflichen Charakter.

In der Zeit von 1949 bis 1990 kam Bonn in den Genuss medialer und politischer Aufmerksamkeit. Ausländischen Staatsgästen sollte das neue Deutschland als sauber, kulturinteressiert und weltoffen gezeigt werden. Viele Eingemeindungen in den 60er Jahren, der anwachsende Beamtenapparat und der wirtschaftliche Aufschwung beflügelten die Expansion der Stadt. Natürlich sind nicht alle baulichen Errungenschaften dieser Zeit aus heutiger Sicht vorzeigbar, aber vielleicht dennoch fotografisch interessant. Auch der kulturelle Bereich erlebte einen Boom. Trotz der Nähe rheinischer Metropolen wie Köln und Düsseldorf fand man in Bonn mit der Beethovenhalle ein großes Konzerthaus samt eigenem Orchester, eine Oper, an der namhafte internationale Stars zu bewundern waren, und ein Schauspielhaus. Und dann?

Die Regierung zog nach Berlin. Viele fürchteten einen Verfall der Stadt nach ihrer Degradierung zur Bundesstadt, trotz Bonn-Berlin-Ausgleichs. Gott sei Dank zu Unrecht. Ein großer Telekommunikationskonzern, die Vereinten Nationen und nicht zuletzt die Universität machten aus Bonn eine lebendige und touristisch immer noch interessante Stadt am Rhein – bis heute. Nun aber zur Museumsmeile.

Die Bundesstraße 9 war zu Zeiten der Bundesregierung die politische Hauptschlagader Bonns. Kanzleramt, Villa Hammerschmidt, Bundesrechnungshof, Ministerien, Botschaften, Parteizentralen und das Regierungsviertel mit dem “langen Eugen” (Spitzname des Abgeordnetenhochhaus in ironischer Anspielung auf die geringe Körpergröße des Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier) und seinen mehr oder weniger erfolgreichen Bauvorhaben (z.B. der Schürmann-Bau, heutiger Sitz der Deutschen Welle in Bonn) sind auch heute noch ansässig, jedoch natürlich großenteils umfunktioniert oder leerstehend. Und was hat das jetzt mit der Museumsmeile zu tun?

Genau entlang dieser Bundesstraße 9 finden sich fünf Museen auf einer Länge von etwa drei Kilometern. Angefangen mit dem Museum Alexander König, dem Haus der Geschichte, dem Kunstmuseum Bonn, der Bundeskunsthalle und endend mit dem Deutschen Museum Bonn, einem Ableger des Münchener Original.

Das Museum König ist ein geschichtlich höchst interessantes Gebäude und bietet zudem eine fotogene Fassade, aber aus fotografischer Sicht sind die Neubauten des Hauses der Geschichte, der Bundeskunsthalle und des Kunstmuseums Bonn weitaus interessanter. Dennoch empfehle ich, den historischen Bau als Startpunkt für einen Fotowalk zu nutzen. Vor allem Sonntag morgens ist die B9 wenig befahren und es lassen sich interessante Aufnahmen von der gegenüberliegenden Straßenseite machen. Wer genügend Zeit mitgebracht hat, sollte sich auch einen Besuch des Museums gönnen, da man in ihm nicht nur Interessantes zur Tierwelt, sondern vor allem auch zur Geschichte des Museums findet.

Am 3. September 1912 wurde der Grundstein des heutigen Hauptgebäudes des Museum Alexander König gelegt. Nach Fertigstellung des Rohbaus wurde das Gebäude allerdings kriegsbedingt 1914 beschlagnahmt und als Lazarett umfunktioniert. Nach Ende des ersten Weltkriegs 1918 wurde das Gebäude zunächst von britischen, später bis 1926 von französischen Besatzungstruppen als Kaserne und Gefängnis genutzt. Den zweiten Weltkrieg überstand das Gebäude ohne größere Schäden. Da es somit das einzige repräsentative Gebäude in Bonn war, fand in der großen Halle am 1. September 1948 der Festakt zum Zusammentritt des Parlamentarischen Rates statt. Kurzzeitig befand sich das Bundeskanzleramt im Museum König, Die ornithologische Bibliothek nutzte Konrad Adenauer zwei Monate lang als Dienstzimmer und die ersten Kabinettssitzungen fanden im Hörsaal statt. Das in aller Kürze. Wie gesagt, ein Besuch des Museums lohnt sich nicht nur für Tierinteressierte.

Für den reinen Fotowalk geht es aber entlang der B9 stadtauswärts.

Linker Hand passiert man die Villa Hammerschmidt, und das Bundeskanzleramt mit einer großen Kopfbüste des Altkanzlers Adenauer. Aufgestellt wurde sie 1982 unter Bundespräsident Carl Carstens und Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die Vorderseite bietet eine etwa 2m hohe realistische Darstellung des Altkanzlers. Die Rückseite zeigt verschiedene Szenen aus dem Leben Konrad Adenauers. Eine interessante Perspektive lässt sich mit dem Rücken zum Zaun fotografieren. Es scheint als blicke Konrad Adenauer über die Straße hinweg zum gerade erst fertig gestellten Neuen Bundeskanzlerplatz, dem geographischen Mittelpunkt Bonns, auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dieser Bürokomplex bietet mit seiner interessanten Fassade ebenfalls viele fotografische Möglichkeiten, jedoch wird man des Öfteren vom aufmerksamen Personal der dort ansässigen Banken vertrieben, da die Gebäude nicht öffentlich sind. Erwähnenswert ist außerdem eine Spiegelsäulenskulptur auf dem neuen Bundeskanzlerplatz, die man vor allem perspektivisch erkunden sollte. Hierbei gilt es die kürzeste Brennweite zu nehmen, die die Fototasche zu bieten hat. Mit der Museumsmeile selbst hat diese Zwischenstation natürlich nichts zu tun, sollte aber dennoch hier erwähnt werden. Bereits in Sichtweite findet sich dann der erste der drei neuen Museumsbauten, das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Museum als Teil der gleichnamigen in Bonn ansässigen Stiftung geht auf eine Initiative des Bundeskanzlers Helmut Kohl zurück. Bereits in seiner ersten Regierungserklärung 1982 forderte er eine Sammlung zur deutschen Geschichte nach 1945. 1986 begann man mit dem Aufbau einer historischen Sammlung, der Planung einer Dauerausstellung und dem Bau des Gebäudes. Die Eröffnung fand am 14. Juni 1994 durch Helmut Kohl statt. Neben der Dauerausstellung zur deutschen Nachkriegsgeschichte finden sich auch kleinere Wechselausstellungen häufig zu zeitpolitischen Themen.

Die Außenfassade des Museums finde ich fotografisch weniger interessant, bis auf eine Bronzeskulptur an der Längsseite des Gebäudes, dem “Jahrhundertschritt” des DDR-Künstlers Wolfgang Mattheuer. Die Bonner Skulptur ist eine von 6 unterschiedlichen Fassungen, weitere stehen in Berlin, Potsdam, Leipzig, Halle an der Saale und Reichenbach. Fotografisch lässt sich der weite Schritt der Plastik  als Rahmen für vorbeigehende Passanten nutzen. Ein, wie ich finde, spannendes Motiv.

Ein Besuch der Dauerausstellung ist in jedem Fall lohnend, sprengt aber definitiv den Zeitrahmen eines Fotowalks. Dennoch empfehle ich, das Haus der Geschichte einmal von innen zu betreten, jedoch nicht durch den Haupteingang, sondern durch die U-Bahn!
Alle U-Bahn-Zugänge im Bereich der hier ansässigen Museen sind übrigens durch große Reliefartige Portraits großer Politiker der Bonner Regierungszeit versehen. Diese lassen sich je nach Lichtverhältnissen mal mehr oder weniger gut in Szenen setzen. Je größer der Abstand um so klarer das Bild. Wer eine Telebrennweite dabei hat, kann sie hier gut einsetzen. Das Haus der Geschichte lässt sich von der U-Bahnstation Heussallee/Museumsmeile aus direkt betreten. Hier erwartet einen ein Salonwagen der Deutschen Reichsbahn, welcher unter Hermann Göring gebaut, bis 1974 durch die verschiedenen deutschen Bundeskanzler genutzt wurde. Außerdem steht dort ein Mercedes des Kanzlers Adenauer, beides lohnende Fotomotive. Im Museum selber habe ich bisher noch nicht fotografiert. Sicherlich sind aber gerade in der Dauerausstellung viele interessante Exponate zu finden.

Auf dem Weg zum Herzstück der Museumsmeile passiert man mehrere U-Bahn-Zugänge, die wie oben bereits erwähnt aufgrund ihrer Gestaltung mit Köpfen namhafter Politiker eine kleine fotografische Serie wert sind. Ebenso lohnend ist die U-Bahnstation Heussallee/Museumsmeile, welche das Haus der Geschichte und den Museumsplatz (Kunstmuseum Bonn und Bundeskunsthalle der Bundesrepublik Deutschland) unterirdisch verbindet. Die U-Bahnstationen unter der B9 wurden in den 1970er Jahren angelegt und sind allesamt durch charakteristische Wandpaneele verkleidet, jede Station in einer anderen Farbe. Als Kind war es ein beliebtes Spiel die Farbe der nächsten Station zu raten. Die Station Heussallee ist die gelbe Station. Sowohl die zuführenden Gänge als auch die Stationen selber sind einheitlich verkleidet. Durch ein Weitwinkelobjektiv erreicht man in den Gängen eine starke Sogwirkung und gerade außerhalb der Stoßzeiten lassen sich immer wieder vereinzelte Passanten als dynamisches Motiv einfangen. Der Ausgang nach Norden führt zum Haus der Geschichte. Aktuell (Juni 2024) ist der Eingang im Keller geschlossen aufgrund von Umbauarbeiten. Nach Süden hin gelangt man zum Museumplatz.

Das Areal beinhaltet sowohl das Kunstmuseum Bonn als auch die Bundeskunsthalle. Beide Gebäude wurden ebenfalls Anfang der 1990er Jahre eröffnet. Liebhaber klarer Linien in der Architektur, interessanter Schattenwürfe und einer klaren Bildsprache kommen hier voll auf ihre Kosten.

Das Kunstmuseum Bonn wurde 1992 eröffnet. Es gilt als einer der wichtigsten Museumsneubauten in Deutschland nach 1945. Neben dem Werk August Mackes und vielen Werken von Joseph Beuys, finden sich auch fotografische Sammlungen im Verzeichnis des Museums unter anderem von Bernd und Hilla Becher und Andreas Gursky. Aber auch hier wird der Zeitfaktor den Besuch wohl auf später verschieben müssen. Es lohnt sich aber dennoch mal einen Blick in die große Eingangshalle zu werfen. Vor allem das Treppenhaus ist ein interessantes Fotomotiv. An der Außenfassade des Kunstmuseums lehnt ein großer Flügel an die Hauswand des Kunstmuseums. Das Kunstwerk heißt ´In Seven Days Time´von Katharina Grosse. Hier lohnt es sich mal unter den Flügel zu treten. Es lassen sich spannende Bildkompositionen entdecken. Anschließend gelangt man dann auf den Museumplatz.

Der Platz zwischen den beiden Gebäuden war bis 2012 von einer Zeltdachkonstruktion überspannt und wurde im Sommer für Open-Air-Konzerte genutzt. Seit 2012 findet man auf dem Platz neben Kunstinstallationen und Außengastronomie immer wieder Events und besondere Aktionen. Zur B9 hin wird der Platz und die Bundeskunsthalle durch 16 patinierte Stahlsäulen begrenzt, die die 16 Bundesländer symbolisieren. Über den Platz ziehen sich geschwungene weiße Linien auf dem Boden hin zu einem Durchgang, der zum Eingang der Bundeskunsthalle führt. Neben dem Durchgang findet sich eine Wendelrutsche an der Gebäudefassade, welche vom Dach aus im Sommer genutzt werden kann.Und damit kommen wir zu einem weiteren Highlight. Vom Museumsplatz aus kann man über eine Treppe auf das Dach der Bundeskunsthalle gelangen. Auf diesem stehen die charakteristischen blauen Spitzhüte, welche Tageslicht in die Ausstellungsräume der Bundeskunsthalle fluten lassen. Die Dachterrasse ist begrünt und mit Kunst und Spielinstallationen abwechslungsreich gestaltet. Sowohl auf dem Dach, als auch vom Dach aus lassen sich viele interessante Perspektiven und Motive finden. Bei Interesse einfach mal dem link am Ende des Beitrags folgen.

 

Die Bundeskunsthalle bietet abwechslungsreiche Wechselausstellungen und gerade an Wochenenden immer wieder Familienprogramme. Wie bei den anderen Museen lohnt auch hier ganz sicherlich ein Besuch sprengt aber während eines Fotowalks den zeitlichen Rahmen. Von hier aus nicht mehr zu Fuß zu erreichen fehlt dann nur noch das Deutsche Museum. Es sei deshalb und weil es für mich fotografisch weniger interessant ist auch nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Sollten sich hier neue Aspekte ergeben, werde ich den Beitrag aktualisieren.

Für weitere Bilder von der Museumsmeile:    Museumsmeile Bonn

 

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