Farbwiederholung

In der Fotografie gibt es viele spannende Stilmittel: Linienführung, Lichthöfe, Schattenwurf, Bewegungsunschärfe, Mitzieher und so weiter. All diese Stilmittel sind auch oder gerade in Schwarz-Weiß-Aufnahmen sehr beliebt. Ein Stilmittel, welches den Schwarz-Weiß-Fotografen jedoch entgeht ist die Farbwiederholung.

Eigentlich ist es wie so oft im Fotografenleben. Man ist jeden Tag umgeben von Farbwiederholungen. Die Schwierigkeit besteht darin sie wahrzunehmen. Unser Gehirn braucht eigentlich nur den Fokus auf eine Farbe und schon nehmen wir diese verstärkt wahr. Das Phänomen kennt man vielleicht auch aus anderen Lebensbereichen. Kaufen wir uns ein neues Auto in einer bestimmten Farbe, so sehen wir fortan häufiger genau dieses Modell in genau dieser Farbe.

Was kennzeichnet das Stilmittel ?

Die Wiederholung einer Farbe sowohl in der Hintergrund-, als auch in der Vordergrund- bzw. Motivebene ist das zentrale Kennzeichen dieses Stilmittels. Hierbei sollte der Farbbereich große Anteile des Bildes ausmachen, damit wir diese direkt wahrnehmen. Ebenso würde ich mich auf eine sich wiederholende Farbe oder Farbmuster beschränken. Je gedeckter die übrigen Farben sind um so prägnanter ist der Effekt. Ich würde dies aber ganz klar von sogenannten Colorkey-Aufnahmen (z.B. roter Ballon im Schwarzweißbild) trennen. Letztere sind so in der Realität nicht zu finden und somit ein Stilmittel der Bildbearbeitung und nicht der Fotografie.

Manchmal gelingen sogar drei oder vier Wiederholungen in einem Bild, wodurch zusätzliche Bildtiefe erreicht werden kann. Das Auge wird durch die Anordnung der Farbwiederholungen durch das Bild geführt. Im diesem Beispiel gibt es vier “rote Ebenen”. Zweimal Geranien, dann der E-Roller und zum Schluss der Motorroller. Der rote Sonnenschirm fällt hier als Farbwiederholung schon kaum noch auf, da die anderen Objekte ein starkes Signalrot haben.

Warum wirkt das Stilmittel interessant ?

Dies führt direkt zur Bildwirkung der Farbwiederholung. Wie alle Stilmittel sorgt die Farbwiederholung dafür, das Auge des Betrachters direkt auf die zentrale Bildaussage zu lenken. Manchmal ist die Farbwiederholung aber auch für sich schon die zentrale Bildaussage. Die Wirkung der Farbwiederholung hängt von verschiedenen Aspekten ab, zuerst einmal von der Farbe selber.

Sich wiederholende Braun- oder Grautöne  sind weniger effektvoll als leuchtende Farben wie rot, orange, gelb, grün oder hellblau. Je exakter die Farbe in der Wiederholung ist, um so besser. Natürlich kann sich auch Mehrfarbigkeit wiederholen. Hier ist dann aber der Zufall meistens mit im Spiel. Im Beispiel auf der linken Seite decken sich die Autofarben auch in der Anordnung mit der Kleidung der Person. Zugegebenermaßen ist mir dies aber erst bei der Bildbearbeitung zu Hause aufgefallen. Glück gehört halt auch zum Fotografenleben dazu.

 

Welche Varianten gibt es ?

Farbwiederholungen lassen sich nahezu überall finden. Manche Farben sind immer wieder an gleicher Stelle anzutreffen, wie zum Beispiel Verkehrsschilder oder S-Bahnen. Andere wie Schaufensterdekorationen sind nur für eine bestimmte Zeit zu finden. Dynamisch wirkt es, wenn diese mit Personen, Fahrzeugen oder auch dem aktuellen Zeitgeschehen zuzuordnenden Farbpaaren kombiniert werden, wie in diesem Beispiel der gelb/blauen Flaggen der Ukraine. Auch in vielen Jahren wird man sich der Bedeutung dieser Fahnen vor einem öffentlichen Gebäude bewusst sein.

Viele besonders effektvolle Wiederholungen sind allerdings schlichtweg nicht planbar, sondern bedürfen einer gewissen Übung, einer gut vorbereiteten Ausrüstung und natürlich einer gehörigen Portion Glück.

Herangehensweise ?

Am Anfang ist es sicherlich sinnvoll geplant mit Fokus auf eine Farbe loszuziehen. Als Training eignen sich am besten Strecken, die wir schon kennen, so dass wir uns ganz auf Farben konzentrieren können. Sieht man zum Beispiel eine dominante Schaufensterfarbe, wartet man bis eine Person mit gleicher Farbe durch das Bild läuft. Ich empfehle hier grundsätzlich Serienaufnahmen, damit man die laufende Person in einer dynamischen Schrittposition erwischt. Meist versuche ich den Bildausschnitt vorher durch “Probeaufnahmen” festzulegen.

Außerdem hilft es sich tatsächlich auf eine Farbe von Vornherein  festzulegen. Ich habe zunächst einfach nur Motive einer bestimmten Farbe fotografiert ohne diese Bilder nachher zu bearbeiten oder gar zu archivieren. Sehr schnell bemerkt man dann die Farbdopplungen, die von ganz alleine auftauchen. Natürlich hilft es hierbei knallige Farben zu nehmen.

Dieses Vorgehen lässt sich natürlich auch umkehren. Das Bild der Frau in rotem Mantel mit rotem Hut ist so entstanden. Die Frau fiel mir auf und ich habe mich sozusagen an ihre Versen geheftet, bis im Bildausschnitt die rote Schaufensterdekoration auftauchte. Egal wie ich vorgehe schließe ich für solche Aufnahmen grundsätzlich die Blende und nutze den Zonenfokus. Da meine Kamera keinen Autofokus hat, garantiert mir dieses Vorgehen die nötige Schärfe in meinem Bild.

Je mehr man sich in dieser Technik übt, umso mehr gelingt es sich dann auch um die Bildaussage und die Bildkomposition zu kümmern. Irgendwann antizipiert man dann Situationen, die ein gutes Bild ergeben werden. Bestes Beispiel hierfür ist das Titelbild aus Berlin. Ich war mit der Familie in Berlin unterwegs. Um den Hals 28mm auf Blende 8. Im Aufgang zum Berliner-S-Bahnhof fiel mir der Mann mit der hellbraun-roten Jacke auf. Mein erster Gedankte war, dass es sich im eine Dienstjacke handelt die in gleicher Farbkombination wie die S-Bahn gehalten ist, was natürlich nicht stimmte. Als ich hörte wie eine S-Bahn oben einfuhr rannte ich hinterher und  hielt einfach drauf. Dieser Schnappschuss war nur durch Intuition und ein voreingestellte Kamera möglich. Bahnsteige lassen sich übrigens exzellent als Trainingsplattform nutzen, da es ein hohes Aufkommen an Personen gibt und man sich in der Masse gut verstecken kann.

 

 

Kameraeinstellungen

Meist nutze ich für diese Art der Fotografie eine Festbrennweite mit 28 oder 50mm KB. Natürlich gibt es Situationen, wo man genau die falsche Brennweite montiert hat, aber meist kann man sich irgendwie behelfen. Im nebenstehenden Bild allerdings hatte ich nur die 28mm, was in diesem Fall zu weitwinklig war. Eine längere Brennweite hätte hier den Angestellten der Abfallentsorgung deutlich näher an die gleichfarbigen Luftballons geholt. Aber was nicht geht, geht dann eben nicht.

Die Blende schließe ich meistens auf f8 oder f11 um eine möglichst große Tiefenschärfe zu erreichen. Dies hat nicht nur gestalterische Gründe, sondern es hilft mir auch mit dem Zonenfokus zu arbeiten und somit in Ermangelung eines Autofokus eine scharfe Motivabbildung zu garantieren. Für mich spielt Freistellung bei diesem Stilmittel keine Rolle.

Um Bewegungsunschärfe zu vermeiden, steht die Verschlusszeit in der Regel auf mindestens 1/250 und den Rest regelt die ISO-Automatik. Insofern brauche ich die Kamera nur noch hochzunehmen, den Bildausschnitt festzulegen und abzudrücken. Bei bewegten Motiven nutze ich immer den Serienbildmodus um eine möglichst dynamische Schrittdarstellung zu erreichen. Insgesamt sind dies eigentlich meine Standardeinstellungen für Streetfotografie. So kann ich mich ganz auf die Bildgestaltung konzentrieren und bin auch für spontane Schnappschüsse gewappnet.

 

und zum Schluß…

…kann ich jedem Fotografen nur empfehlen, sich mit dieser Gestaltungstechnik einmal zu beschäftigen. Auch wenn man immer wieder mal mit wenig brauchbaren Ergebnissen nach Hause kommt, so schult man auf jeden Fall seinen fotografischen Blick. Natürlich gilt das auch für viele andere Stilmittel, aber die Farbwiederholung ist gerade in der Stadt überall und jeder Zeit zu finden egal bei welchem Wetter. Alle hier gezeigten Bilder sind übrigens nicht während gezielter Fotowalks zum Thema Farbwiederholung entstanden, aber sie sind Produkt vergangener Übungseinheiten. Erst hierdurch ist man dann in der Lage spontan sich bietende Situationen zu nutzen.

 

 

@red.dot.foto

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